London ruft! – 1 – Colijnsplaat-Ramsgate

13.08.2022

Gefühlt viel zu früh klingelt der Wecker um 04:00 Uhr, wir reiben uns den Schlaf aus den Augen und um halb fünf duftet der erste Kaffee in den Tassen. Der Tag beginnt, los geht’s. Die angesagte Windrichtung ist da, der Ostwind wird uns gut über den englischen Kanal ins Königreich wehen. Ein wunderbarer Sonnenaufgang begleitet uns über die Oosterschelde in Richtung Roompot, während der tolle Vollmond sich so langsam auf den Horizont senkt. Unser nächstes Wiedersehen (mit dem Mond) wird in England sein… Da der Wind noch nicht so ganz ausreicht, um uns nur unter Segel fahren zu lassen, sind wir zunächst mit Groß & Maschine unterwegs. Später wird der Wind dann zunehmen.

Kurz vor 10:00 Uhr: just sailing 🙂 Wir machen mit um 6 kn gute Fahrt, die Sonne scheint und wir kommen so langsam runter, also in den Segel- & Urlaubsmodus. Der Seemann nimmt eine Freiwache und holt einigen Schlaf nach. Und ich lasse die letzten Wochen und Monate Revue passieren – soviel Sorgen, Gedanken, Ängste, Kümmern und immer die Hoffnung, daß mit meinem Pa alles wieder gut wird… Ich habe mein Bestes gegeben und darf jetzt einfach mal sein – hier auf dem Boot, auf dem Meer, mit meinem Lieblingsmenschen – und loslassen…

Schlaf nachholen

Das Land ist weitestgehend zurückgewichen und gibt den Blick frei auf die Weite der See. Ab und zu Fahrwassertonnen, ein, zwei Frachter, Möwen. Der riesige Windpark kommt in Sicht, wir werden ihn an Steuerbord liegenlassen. Bisher ist alles perfekt für unseren Trip nach GB. An Backbord tauchen die Kräne von Zeebrügge auf. Unser ursprünglicher Plan war, Dunkerque als ersten Zwischenstopp zu nehmen, doch die Windvorhersage hat für den ganzen Tag östliche Winde prognostiziert – das muß einfach genutzt werden – also durch bis Ramsgate. So der neue Plan.

Ab ca. 11:00 Uhr dann doch leider zu wenig Wind, der Motor läuft wieder, wir fahren ohne Besegelung, doch ab ca. 14:30 Uhr nimmt der Wind wieder zu und die Genua wird ausgerollt. Der Strom setzt noch kräftig gegenan und wir schleichen aktuell noch über den Kanal. Eigentlich sollte schon wieder mehr Wind sein, doch er scheint sich zu verspäten. Na ja – et is ja wie et is… 

18:30 Uhr: noch immer hilft uns der Motor über den Kanal. Bei Allem: wir haben Urlaub und sind unterwegs. Die Sonne läßt die See vor uns glitzern – seit ihrem Aufgang begleitet sie uns. 

Weiter mit Genua und Maschine

Inzwischen sind wir am Verkehrstrennungsgebiet North Hinder angekommen – etliche Frachter reihen sich aneinander und fahren Richtung Nordost. Ein Frachter scheint auf Kollisionskurs mit uns zu liegen, aber ein kurzer und freundlicher Funkkontakt klärt die Situation – er ändert seinen Kurs und passiert hinter uns. Spannend! 

Als wir uns in der Trennzone befinden, sehen wir in dem anderen SW-Fahrweg einen amerikanischen Zerstörer in beeindruckender Größe – in Anbetracht der Kriegssituation in der Ukraine ein bedrückender Anblick… 

Die beginnende Dämmerung begleitet uns in einen goldenen Sonnenuntergang – herrlich!

Nachdem wir das VTG passiert haben, nehmen wir Kurs auf den Windpark Thanet und fahren östlich daran vorbei. Und dann: Kurs Ramsgate! 

WAS FÜR EIN TAG!  

Ankunft 02:10 Uhr deutscher Zeit, nach ca. 21 Stunden. 

Springtide = extrastarke Gezeitenströme – gefühlt mehr gegen uns denn mit… Dafür viel weniger Wind als vorhergesagt – da zieht sich ein geplantes Etmal von 95 sm wie Kaugummi. Und zu guter Letzt die Ansteuerung bzw. Anfahrt nach Ramsgate im Stockdusteren mit in der Spitze ca. 3 kn Seitenstrom. Unsere inzwischen müde gewordenen Augen und dieser extreme seitliche Versatz sorgen dafür, daß die Ansteuerung eine ziemliche Herausforderung ist. Da fällt einem das gute alte Stromdreieck wieder ein. Kak 270°, Mgk ca 230-240°-weisse Bescheid! Das alles im Stockdunklen, wo Deine Wahrnehmung ihren Schabernack mit Dir treibt. Aber dafür mit Meeresleuchten, Sternschnuppen und einem wunderschönen Vollmond 🙂

Endlich in Ramsgate angekommen, dürfen wir direkt nach der Einfahrt auf Backbord längsseits an dem ersten Steg festmachen. Nach einem wirklich verdienten Anlegerbier fallen wir direkt und ohne Verzögerung in die Koje.

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